Bereits Charles Darwin, Begründer der Evolutionstheorie, interessierte sich sehr für die Echte Schlüsselblume. Die Schlüsselblume ist für Wissenschaftler eine Art Modellorganismus geworden (ähnlich wie Mäuse, Fruchtfliegen und die Backhefe), da durch Studien über die Schlüsselblume auch Rückschlüsse auf andere Arten gezogen werden können. Die Schlüsselblume ist als Modellorganismus gut geeignet, um das Wohlbefinden von Wiesenpflanzen und Bestäubern lokal, in der Region, sowie in ganz Europa zu erforschen.

Die gesammelten Daten über die Echte Schlüsselblume bieten einen Einblick über deren Wohlbefinden und das verwandter Arten.

Die Echte Schlüsselblume ist heterostyl (distyl), das heißt, dass die Art Pflanzen mit jeweils einem von zwei möglichen Blütentypen hat, je nachdem wo sich die männlichen und weiblichen Blütenorgane in der Blüte befinden. Sie werden L-Typ und S-Typ genannt. In der Blüte des L-Types ist das weibliche Blütenorgan (Griffel mit Narbe) zu erkennen und die männlichen Blütenorgane (Staubblätter) sind nicht zu sehen wenn man auf die Blüte schaut. Beim S-Typ hingegen sind die männlichen Blütenorgane (Staubblätter) zu erkennen und der Griffel mit Narbe sind nicht sichtbar (siehe Bilder). Die Bezeichnungen leiten sich von den englischen Begriffen long-styled (L-Typ) und short-styled (S-Typ) ab.

L-Typ
L-tüüpi õis

S-Typ
S-tüüpi õis

Mithilfe von Insekten wird Pollen zwischen den Blütentypen ausgetauscht – der Pollen des S-Typs befruchtet den L-Typ und umgekehrt. Auf diese Weise kann sich die Pflanze nicht selbst befruchten und vermeidet genetische Verarmung. Diese Kreuzbefruchtung fördert den Austausch von genetischem Material, und dadurch genetische Vielfalt. Eine hohe genetische Vielfalt ist sehr wichtig für die Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit und einer langen Lebensdauer der Pflanzen.

Typischerweise ist der Anteil von Pflanzen der verschiedenen Blütentypen in Schlüsselblumenbeständen ungefähr 50:50. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass Pflanzen einen geeigneten Fortpflanzungspartner finden, was zu einem Nachteil für die Bestäubung und den Austausch von genetischem Material führen kann. Infolgedessen kann die Lebensfähigkeit der Pflanzen abnehmen. Leider wird das übliche Habitat der Echten Schlüsselblume – traditionell bewirtschaftete Wiesen – in der modernen Landschaft immer seltener. Mit Verschwinden der Wiesen werden auch die Arten weniger, die von diesen Lebensräumen abhängig sind. Ein starker Rückgang der Anzahl an Schlüsselblumenpflanzen kann das Gleichgewicht der Pflanzen mit L-Typ und S-Typ-Blüten so weit verschieben, dass ein Blütentyp vollständig aus einem Bestand verschwindet. Genau solche möglichen Verlagerungen des Anteils von Pflanzen mit L-Typ und S-Typ-Blüten, die durch Veränderungen in der Landschaft verursacht werden, möchten wir mit deiner Hilfe untersuchen.

Da die Echte Schlüsselblume von Insekten bestäubt wird, ist ihr Wohlbefinden auch davon abhängig, wie es um ihre Bestäuber steht: Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere. Bestäuber sind aber genauso sensibel zu Habitatsveränderungen und -verlust. So können wir mithilfe der Informationen über das Verhältnis an Blütentypen in einem Schlüsselblumenbestand auch indirekt Rückschlüsse auf die Bestäuber ziehen.

Wie erkennt man die Echte Schlüsselblume?

Die Echte Schlüsselblume (Primula veris) ist eine krautiger Frühblüher. Sie ist eine ausdauernde, d. h. mehrjährige, Pflanze: Dieselbe Pflanze wächst und blüht viele Jahre an derselben Stelle. Die Echte Schlüsselblume ist eine der ersten Vorboten des Frühlings: Sie beginnt normalerweise im April zu blühen und blüht für einige Wochen. Bei kühlerem Wetter kann die Blüte auch später einsetzen und dann bis (Ende) Juni andauern.

Die Echte Schlüsselblume ist im Durchschnitt 10–30 cm hoch. Sie hat grüne längliche Blätter von bis zu 20 cm Länge. Eine einzige Pflanze kann einen oder mehrere Stängel haben. Am Ende des Stängels befinden sich leuchtend gelbe, glockenförmig hängende Blüten mit 5 orangefarbenen Flecken in der Mitte. 5-16 Blüten sind in einer einseitswendigen Dolde angeordnet.

Ähnliche Arten wie die Echte Schlüsselblume sind beispielsweise die Stängellose Schlüsselblume (Primula vulgaris), die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) sowie verschiedene Hybriden der Primula-Arten. Achte bei deiner Beobachtung darauf, dass es sich um die Echte Schlüsselblume handelt.  

Wie unterscheidet man die Echte Schlüsselblume von anderen ähnlichen Arten?

Die Blüten der Echten Schlüsselblume sind kleiner als die der Hohen Schlüsselblume, leuchtend gelb und in der Blüte sind winzige orangefarbene Flecken zu sehen. Die Blüten der Hohen Schlüsselblume hingegen sind meist größer und nur blassgelb gefärbt. Die Blüten der Echten Schlüsselblume sind von glockenförmiger Gestalt, wohingegen die Blüten der Hohen Schlüsselblume weiter geöffnet sind.

Die Stängellose Schlüsselblume hingegen hat einen kurzen Stängel und die Farbe der Blüten reicht von einem sehr hellen Gelb bis hin zu Weiß. Zudem gibt es häufig andere Schlüsselblumen (Primeln) für den Hausgarten, die sich leicht vom Garten in die Wildnis ausbreiten können. Sie zeichnen sich durch verschiedene Blütenfarben aus, zum Beispiel lila, rot, orange und rosa oder können sogar mehrfarbig sein. In freier Wildbahn treten bei der Echten Schlüsselblume nur leuchtend gelbe Blüten auf.  

Hohen Schlüsselblume

Stängellose Schlüsselblume

Wo wächst die Echte Schlüsselblume?

Die Echte Schlüsselblume ist in Europa weit verbreitet, am wahrscheinlichsten aber in Gebieten mit Grasland-/ Wiesencharakter zu finden. Generell bevorzugt die Echte Schlüsselblume trockenen oder mäßig feuchten Kalkboden, wie er beispielsweise in Küstengebieten häufig vorkommt. Sie ist vor allem auf Wiesen, am Waldrand, aber auch am Straßenrand zu finden und bevorzugt zumeist sonnige Plätze.

Was, wenn die Blüte(n) keinem Blütentyp zugeordnet werden können?

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, besteht die Möglichkeit Pflanzen der Echten Schlüsselblume zu finden, die weder dem S- noch dem L-Blütentyp zugeordnet werden können. Diese bezeichnet man als “Homostyle”, da die männlichen und weiblichen Blütenorgane auf einer Höhe in der Blüte sitzen. Homostyle Blütenformen treten durch eine Mutation im Genom der Pflanze auf. Alle Blüten dieser Pflanze sollten ein homostyles Erscheinungsbild haben. Solltest du eine solche Pflanze bei deinen Beobachtungen finden, überspringe sie bitte für deine reguläre Aufnahme, aber sag’ uns unbedingt Bescheid, dass du eine solche homostyle Pflanze gefunden hast! Bitte notiere dies in den Kommentaren des Beobachtungsbogens und lade ein Foto dieser Pflanze hoch. Am Besten wäre aber, wenn du uns direkt über unsere e-Mail Adresse kontaktierst (info@cowslip.science) und Fotos und den ganz genauen Standort dieser Pflanze mitteilst. Dadurch können wir Blattmaterial dieses potentiellen Homostylen sammeln und später genetisch untersuchen. Indem du uns Informationen zu diesen besonderen homostylen Pflanzen schickst, kannst du uns helfen die Thematik der “Heterostylie” und des Landschaftseinflusses darauf auf einer ganz neuen Ebene zu verstehen.